Bürokratie-Entlastungsgesetz IV – Mogelpackung oder großer Wurf?

Personalexperte Stephan Boehnke erklärt, wie das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) den Einstellungsprozess vereinfachen könnte.

Dank dem Bürokratieentlastungsgesetz könnten Einstellungsprozesse deutlich vereinfacht werden

Derzeit kursiert ein Gesetzentwurf mit großem Potenzial: das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV). Die Hälfte des Genehmigungsmarathons ist bereits geschafft, wobei das Gesetz gerade dem Bundesrat zur Kommentierung vorliegt. Teil dieses Gesetzespaketes ist es, dass der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen (Nachweisgesetz) nicht länger dem Schriftform-Erfordernis unterliegt, sondern einem Textform-Erfordernis. Unser Gastautor, der Personalexperte Stephan Boehnke, erläutert, was es damit auf sich hat und welche Auswirkungen das Gesetz insbesondere auf den Einstellungsprozess haben könnte.

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Wie den meisten Lesern wohl bekannt sein dürfte, sind Arbeitsverträge formlos und gelten auch bei einer mündlichen Absprache. Allerdings müssen bislang gemäß dem Nachweisgesetz die wesentlichen Inhalte schriftlich (Schriftform-Erfordernis) festgehalten und den Arbeitnehmenden übergeben werden.

Unterschiede zwischen Schriftform- und Textform bei Dokumenten

Die Schriftform hat einige formale Anforderungen, die bislang einen komplett digitalen Einstellungsprozess verhindert hat. Wenn ein Dokument eine Schriftform (§126 BGB) verlangt, muss es: 

  • als umfangreiche Erklärung in Textform vorliegen,
  • den kompletten Inhalt des Rechtsgeschäfts und vordefinierte Inhalte beinhalten,
  • unterschrieben sein,
  • und laut bisherigem Nachweisgesetz eine nasse Unterschrift erhalten. 

Das Nachweisgesetz hat in der bestehenden Form ein eher schlichtes Rechtsgeschäft (zum Beispiel den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages) äußerst aufwendig gemacht. Der neue Entwurf versucht den bürokratischen Aufwand, der dadurch entstanden ist, zu reduzieren, indem er anstatt einer Schriftform eine Textform vorsieht. Demnach benötigt die Textform

  • keine Unterschrift
  • und keine umfangreiche Erklärung,
  • eine schlichte Zusammenfassung reicht aus. 

Mit der Textform wird man der zeitgemäßen Art der Kommunikation gerecht. Hierzu zählen also auch E-Mails und Chat-Nachrichten. Somit sind dann die Nachweiser der (unbefristeten) Arbeitsverträge definitiv mit einer digitalen Signatur – wir empfehlen eine Qualifizierte Elektronische Unterschrift (QES) – rechtens. Laut aktuellem Entwurf muss auf Nachfrage der Mitarbeiter:innen eine Papierversion zur Verfügung gestellt werden. Hier ist allerdings anzumerken, dass „Papierversion“ nicht genauer definiert ist. Ich unterstelle mal, dass man das Dokument mit den elektronischen Signaturen einfach ausdrucken und übergeben kann. Alles andere würde dem Zweck der Entbürokratisierung erheblich widersprechen. Obwohl der ein oder andere Jurist hier möglicherweise eine andere Meinung vertritt. 

Vorsicht bei befristeten Arbeitsverträgen

Dennoch verbirgt sich ein Stolperstein bei dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz, weil die elektronische Form einer Signatur bei der Beendigung von Arbeitsverträgen ausgeschlossen ist. Da befristete Arbeitsverträge auch die Beendigung beinhalten, wäre eine elektronische Signatur theoretisch auch hier nicht anwendbar. Aber: Bislang gibt es zu dieser Thematik keine höchstrichterlichen Entscheidungen. Die Entscheidungen, die ich kenne, beziehen sich auch immer auf einfache oder erweiterte elektronische Signaturen. Eine Entscheidung zu einem befristeten Arbeitsvertrag mit einer Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES) liegt bislang nicht vor. Die QES ist jedoch als adäquater Ersatz für die Nassunterschrift eingeführt worden und unterliegt sehr hohen Anforderungen.

Aufgrund dieser Unsicherheit gibt es aktuell auch Stimmen, die vor einer QES selbst bei unbefristeten Arbeitsverträgen warnen. Warum? In den meisten unbefristeten Arbeitsverträgen ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Renteneintritt vereinbart. Also im weitesten Sinne auch eine Beendigung.

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Ein hoher Nutzen steht einem geringen rechtlichen Risiko gegenüber

Ich schließe mich dieser Sichtweise nicht an und gehe davon aus, dass mit der Umsetzung des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes auch die Rechtsinstanzen eine deutlich modernere Sichtweise an den Tag legen. Hier geht es um eine nüchterne Betrachtung sowie eine simple Nutzen- und Risikoabwägung.

Die QES gibt es nun schon seit Inkrafttreten der eIDAS-Verordnung im Jahr 2016.1 Wenn in den letzten acht Jahren kein Fall an eine höchstrichterliche Instanz getragen wurde, sehe ich ein eher geringes Risiko, dass mit einem moderner werdenden rechtlichen Rahmen Streitfälle entstehen.

Dem relativ geringen Risiko steht ein enormer Nutzen gegenüber, der sich aus der Digitalisierung des Einstellungsprozesses ergibt. Der enorme Zeitgewinn ist ein absoluter Erfolgsfaktor im Recruiting. Daher empfehle ich meinen Kunden die Nutzung einer QES für Arbeitsverträge aller Art.

Mit meiner Personalberatung Stephan Boehnke HR Personalberatung & Training bleiben wir an diesem Thema dran und werden unser Whitepaper zur digitalen Signatur aktualisieren, sobald das vierte Bürokratieentlastungsgesetz in Kraft getreten ist und wir die finale Fassung kennen. Die aktuelle Version des Whitepapers kann unter dem folgenden Link heruntergeladen werden: Whitepaper Digitale Signaturen. Nach dem Aufruf des Links nur kurz Name und E-Mail-Adresse eingeben und dann landet unser Whitepaper in Ihrem Mailpostfach.

Was regelt das vierte Bürokratieentlastungsgesetz sonst noch?

Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz verspricht tatsächlich ein großer Wurf zu werden und somit ein weiterer auf dem Weg zur Bekämpfung zur deutschen Bürokratie-Krake. Dabei sollen nicht nur die Schriftformerfordernisse zu Textformerfordernissen herabgestuft werden. Der Gesetzesentwurf sieht auch folgende Neuerungen vor:2

  • Verkürzung der Aufbewahrungsfristen insbesondere für Buchungsbelege wie Rechnungskopien, Kontoauszüge sowie Lohn- und Gehaltslisten von zehn auf acht Jahre.
  • Errichtung einer zentralen Vollmachtsdatenbank für Steuerberater, um Generalvollmachten im Bereich der sozialen Sicherung zu hinterlegen.
  • Abschaffung der Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige.
  • Öffentliche Versteigerungen sollen auch online möglich sein, zum Beispiel per Live-Stream oder in hybrider Form, also vor Ort und online.
  • Digitale Fluggastabfertigung, um Abläufe am Flughafen zu beschleunigen. Per Einwilligung des Reisenden können erforderliche Daten aus dem Reisepass ausgelesen werden.
  • Verkürzung der Äußerungsfirst bei Öffentlichkeitsbeteiligungen in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung.

Quellen

  1. Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: eIDAS-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (aufgerufen am 14.5.2024) ↩︎
  2. Bundesministerium der Justiz: Bürokratieentlastungsgesetz IV bringt weitere Entlastung (aufgerufen am 14.5.2024) ↩︎
Bild: Pexels.com
Stephan Boehnke

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